Tag 37, 2189

Durch zahlreiche Furten ging es durch wunderschöne Täler weiter auf der F208…

 

…und über den letzten Bergrücken…

…bis zur letzten Furt, die, wie ich gestern von einem Radfahrer bereits erfahren habe, mit einer Brücke versehen ist. Welch Luxus.

Durch ein Lavafeld aus dem 16. Jahrhundert führt die F208 Richtung Süden zurück auf die Ringstraße.

Ein Beispiel für Abseitsfahren der Straße, was einige Allradfahrer im Gebirge gerne praktizieren. Die dünne Grasnarbe wird zerstört, und das darunter liegende lockere Gestein kann vom Wasser leicht weggespült werden.

Es ist recht windig heute, aber irgendwann muß man ja auch mal Rückenwind haben. Und es hat einige Tage nicht geregnet – es liegt viel Sand in der Luft. Ausgewachsene Sandstürme sind auch keine Seltenheit auf Island.

Auf einer recht unscheinbaren Gerade dann…

macht es unter meinem Hintern „knack“ und der Sattel kippte nach hinten weg. Ich konnte mich jedoch schnell genug mit den Füßen auf den Pedalen abfangen, sodas ich mich nicht verletzt habe. Nach Betrachtung des Sattels war klar: die Sattelstütze ist gebrochen. Das Teil aus Aluminium hatte nach diesen Strapazen auf erschütternden Gebirgspisten und unter einem nicht allzu leichten Klienten seinen Geist aufgegeben. Und zwar endgültig. Reparatur: ausgeschlossen.
Die eingebaute Sattelstütze verjüngt sich am oberen Ende, und um dieses sitzt der Sattelkloben. Und genau diese Verjüngung hat der Sattelstütze das Leben gekostet. Selbst, wenn ich einen 15er Schlüssel dabei gehabt hätte, um den Sattelkloben zu öffnen, hätte ich diesen nicht um den Rest der Sattelstütze herum bekommen. Nach dieser ernüchternden Tatsachenaufnahme die Frage: Was tun?

Oh…da kommt ein Auto…ein großes Auto…einer dieser Kleinbusse, in diesem Fall ein Mercedes Sprinter, mit unglaublich großen Reifen und ganz leicht modifiziertem Fahrwerk. Ich hob die Hand, ich glaube, es war unverkennbar, das ich ein Problem hatte. Der Fahrer hielt sofort an, ich erklärte, das mein Dingsda…äh…mein…was heißt nochmal „Sattelstütze“ auf englisch? „You´re seatpost is broke!“ meinte der Beifahrer. Unverkennbar handelte es sich um einen Amerikaner. Ich fragte den isländischen Fahrer, wo auf der Ringstraße (bis dorthin waren es noch ca. 30 Kilometer) ich denn vielleicht eine Chance auf Neukauf oder Reparatur meiner Sattelstütze hätte. „Maybe in Kirkjubæjarklaustur“, erwiderte er, „it´s a small town direction east. But i´ts gonna be difficult for you. Do you wanna come with us?“ – „NO, under NO circumstances!“ sagte ich.
Drei Minuten später war mein Fahrrad im Anhänger verstaut, und einige Fahrgäste des Kleinbusses waren ausgestiegen. Es waren amerikanische Fotografen auf einem Leica-Trip, wie sie mir verrieten, alle fotografierten mit einer Kamera der Marke Leica. Die Fahrt runter aus dem Gebirge mit diesem irrsinnigen Fahrzeug gestaltete sich äußerst kurzweilig. Gesprächige, sehr nette Amerikaner, vor allem unterhielt ich mich mit meinem Sitznachbarn, einem jungen Mann aus Colorado. Außerdem war es spannend, in solch einem Gefährt mal mitzufahren, da diese ansonsten nur an mir vorbeibrausten und ich bei Trockenheit deren Staub schlucken mußte. Mein Sitznachbar machte eine interessante Beobachtung: „Sheeps always stand in three.“. Und er hat recht. Auf Island bilden Schafe sehr oft eine Dreier-Gruppe. Warum? Google zumindest weiß keine Antwort, aber viele Island-Urlauber habe diesselbe Beobachtung gemacht. Auf jeden Fall konnte ich von diesem Zeitpunkt an nie mehr auf Schafe blicken, ohne diese Beobachtung zu verifizieren. Die Wikipedia verrät, das bei Islandschafen Zwillingsgeburten die Regel sind – es könnte sich also immer um die Mutter mit ihren zwei Kindern handeln. Könnte. Soviel dazu.

Wieder Asphalt unter den Monsterreifen, war eine kurze Pause nötig, um die Pneus etwas mit Luft zu betanken – natürlich aus dem mitgeführten Kompressor. In Kirkjubæjarklaustur angekommen, die Amerikaner machten dort Mittagspause, fragte ich an der Tankstelle nach. Es gäbe einen Mechaniker hier, der nur wenige Minuten zu Fuß von hier entfernt ist, ich sollte jedoch zuvor besser anrufen. Gesagt, getan, leider kam keine Verbindung zustande. Da dies mein einziger Funken Hoffnung war, machte ich mich also mit Fahrrad auf zum Hof des Mechanikers. Ich saß hinten auf dem Packsack, es ließ sich so einigermaßen in die Pedale treten. Die „wenigen Minuten zu Fuß“ erwiesen sich als „einige Kilometer mit dem Fahrrad“. Ich wollte beim ersten Hof, der in Sichtweite kam, nachfragen, wo denn nur dieser Mechaniker ist. Es begrüßten mich einige freilaufende Hunde, die aber dann von der Dame auf dem Balkon zurückgepfiffen wurden. Sie sprach leider nicht so gut englisch, ich konnte ihr aber mein Problem verständlich machen. Sie riet mir ebenfalls, den Mechaniker erst anzurufen. Als sie jedoch die gebrochene Sattelstütze und den Sattel sah, rief sie ihren Mann dazu. Als dieser dann mein Problem verstand, nahm er mich mit in seine Werkstatt. Leider verstand er kein Wort englisch. Ich konnte nur zusehen, wie er sich daran machte, mein Problem zu lösen. Nach einigem Messen mit der Schieblehre fuhr er mit seinem Quad davon, ich beschäftigte mich derweil mit den mittlerweile sehr friedfertigen und verspielten Hunden. Einige Minuten später kam er wieder angebraust, mit einem Stück alter Wasserleitung aus Stahl. Dieses bearbeitete er mithilfe einer Metallbandsäge und eines Schleifbocks, und schlug es mit einem Hammer in den Rest meiner Sattelstütze ein, sodass oben wieder ein verjüngtes Stück angebracht war, auf das mein Sattelkloben passte. Er schwieg die ganze Zeit, und auch auf meine unbeholfene Frage „Can I help you?“ reagierte er nicht. Nach vielleicht 20 Minuten drückte er mir über beide Ohren grinsend meine Sattelstütze mit montiertem Sattel in die Hand. Ich wußte gar nicht recht, was ich sagen sollte. Wir gingen wieder zu meinem Fahrrad, ich montierte meinen Sattel in der richtigen Höhe, und es war dann klar, das ich meine Fahrt fortsetzen konnte. Ungefähr drei Stunden, nachdem mir im isländischen Gebirge die Sattelstütze gebrochen war. Einfach unglaublich hilfsbereite Isländer.

Vielen Dank an das Ehepaar vom Hof Ásgarður – wie versprochen werde ich von Deutschland aus eine Flasche Wein und Süßigkeiten schicken!

Ich fuhr nicht mehr weit heute, ich geriet in den berüchtigten Südküsten-Gegenwind, von dem mir schon einige radfahrende Mitstreiter berichtet hatten. Ich strampelte irgendwann im ersten Gang bei 4 km/h gegen den Wind an – das macht keinen Spaß. Ich suchte mir einen möglichst geschützen Zeltplatz, denn diesem Wind konnte ich mein angeschlagenes Zelt nicht aussetzen. Ich mußte mit einem Plätzchen direkt an einem Wasserfall vorlieb nehmen, und die Ringstraße war auch nur wenige Meter entfernt. Es war jedoch schon recht spät – es hielten nur noch einige Touristen, um sich den Wasserfall anzuschauen.

Übersichtskarte

 

Kommentar hinterlassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.