Tag 36, km 2128

Meine Güte, was für eine Nacht. Irgendwas hat mir im Magendarmtrakt eine Sicherung durchgehauen. Ich hatte das Gleiche schonmal auf meiner ersten Radreise letztes Jahr nach Norwegen, kurz nach meiner Ankunft am Ziel. Ich denke, eine Kombination aus Überanstrengung und zuviel Essen, denn das war beide Male der Fall.
Ich wollte trotzdem an diesem Mittwochmorgen (Tag 35) weiterfahren. Es ging jedoch nicht – wenn ich mich in die Aufrechte bewegte, mußte ich mit Schwindelgefühl kämpfen. Ich war total schwach auf den Beinen, so eine Magendarmgeschichte zehrt doch sehr an den Kräften. Also wieder ab ins Zelt – und zwar für den ganzen Tag. Es ging absolut nichts.

Donnerstagmorgen (Tag 36) dann, nach ein wenig Nahrungsaufnahme, entschloß ich mich, auf jeden Fall ein Stückchen weiterzufahren, einfach auch um einen Ortswechsel vorzunehmen. An diesem Morgen herrschte beim Zeltabbau sehr starker Wind, der meinem guten, alten SALEWA, Modell „Sierra Leone“ eigentlich nichts ausmacht. Als ich das Zelt fast leer geräumt hatte, riss ein isländischer Windstoß das Zelt aus allen 10 Häringen. Es herrschte ablandiger Wind direkt auf den See hinaus, bestimmt 15 m/s, also ca. 50 km/h. Mein Zelt wäre also direkt binnen Sekunden auf den See hinaus, und damit in die ewigen Jagdgründe geflogen, wenn da nicht zwischen Zelt und See zufällig der Dietmar gestanden hätte, der auf einmal sein Zelt in der Fresse hatte. Bis ich dieses Gewust aus Zeltstangen, Innen- und Außenzelt auf freier Fläche bei diesem Wind gebändigt hatte, zeigte sich das Ausmaß dieses Ereignisses. Eine Zeltstange war total verbogen, die andere ging einigermaßen. An diesem Punkt meiner Reise dachte ich endgültig: das war´s. Körperlich noch sehr angeschlagen, mit verwüsteten Zeltresten im isländischen Hochland gestrandet – wunderbar. Sommerurlaub pur.

Willkommen am Tiefpunkt meiner Reise.  Es kann nur noch besser werden.

Nachdem ich erstmal Zeltstangen, Innen- und Außenzelt voneinander getrennt hatte, konnte ich an den Planen keinen Schaden feststellen – was mich verwunderte und zugleich auch etwas Hoffnung schöpfen ließ. Ich bog die Zeltstangen so gut es ging wieder gerade – was soweit auch funktionierte. Ich packte wie gewohnt alles zusammen. Abends würde ich mir ein bestmöglichst windgeschütztes Plätzchen suchen müssen und hoffen, das sich die Zeltstangen wie gewohnt benutzen lassen. Meine Plane, die ich immer unter das Zelt legte, war während der Zeltbändigung im Wasser gelandet, hielt sich aber dort am Ufer, das Wasser hielt sie sozusagen fest. Mein faltbarer Wasserkanister, der leer vor dem Zelt lag, war bereits außer Sichtweite auf den See hinausgetrieben. Ich hatte wirklich großes Glück – denn wie gesagt, hätte ich nicht genau zwischen Zelt und See gestanden – bei diesem Wind hätte ich keine Chance mehr gehabt, mein Zelt noch zu retten.

Mit immer noch leichten Magenschmerzen zerrte ich mein Fahrrad zurück auf die Piste, und fuhr langsam los, mit starkem Seitenwind.

Ich wurde schon auf der Fahrt nach Landmannalaugar für die Strapazen entschädigt. Außerdem hatte ich später dann Rückenwind…

Die Zufahrststraße nach Landmannalaugar. Schon deutlich zu erkennen die Automassen…

Es bot sich zunächst dieser Anblick. Landmannalaugar ist großes Anlaufsziel für Gelegenheitsgebirgstouristen. Deutlich zu erkennen an der brandneuen Ausrüstung, die für einen Tagesmarsch von 20 Kikometern so benötigt wird. Narf.

Immer wieder bin ich als Radreisender auf eine Steckdose angewiesen, um wenigstens mein Smartphone (mit dem ich auch fotografiere) am Laufen zu halten. An der Askja, wie auch hier, läuft zur Stromerzeugung ein Generator, somit bin ich mit einer „electric feed“ durchaus einverstanden, denn der Dieselgenerator läuft nicht von selbst und der Treibstoff will hierher gebracht werden. An der Askja wollten sie 300 Kronen haben, also 2,50 Euro. Nicht gerade günstig – aber alles auf Island ist teuer. Hier in Landmannalaugar allerdings schießen sie den Vogel nicht nur ab, sondern reißen im auch noch alle Federn einzeln raus: Smartphone laden (und kein Netbook zum Beispiel, denn das benötigt zuviel Ladestrom, wie mir die Dame am Informationsschalter verriet) kostet 1000 Kronen, also 8,30 Euro. Zum Mitschreiben: 5 Watt Ladestrom für vielleicht 1 Stunde = 8,30 Euro. Geht´s noch?

Das sollte mir die Freude an dieser weltweit einmaligen Landschaft jedoch nicht trüben. Das Problem bei den großen Touristenattraktionen auf Island ist: sie sind wirklich alle sehenswert.

Tief beeindruckt von diesen Anblicken fuhr ich aus Landmannalaugar die zwei Kilometer wieder raus auf die F208, um diese Richtung Süden weiterzufahren.
Und die schönen Ausblicke nahmen kein Ende…

Die erste Furt auf der F208. Ein mir entgegenkommender Radfahrer verriet mir, das noch ungefähr 12 weitere warteten…

Ich fand ein Plätzchen, an dem nur ein kleines Lüftchen wehte. Ich bangte etwas vor dem Zeltaufbau aufgrund der überstrapazierten Zeltstangen. Jedoch unbegründet – meine Zelt hatte tatsächlich keinen Schaden von der morgendlichen Aktion genommen.

Welche eine Berg- und Talfahrt diese Tage…

Übersichtskarte

 

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